Eine Bach-Motette klingt nach Pfingsten, das Buxtehude-Concerto "Pange lingua" sehr nach Fronleichnam. Doch längst nicht jedes geistliche Werk wurde für den naheliegenden Anlass komponiert. Warum entstanden dann die Kompositionen?
Die Motette "Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf" von Johann Sebastian Bach scheint wie gemacht für Pfingsten, dem Fest zur Herabsendung des Heiligen Geistes. Doch der konkrete Anlass war eine Beerdigung im Jahr 1729, für die Bach das doppelchörige Werk schrieb. Durch die Textauswahl mit dem Römerbrief ergibt sich die Assoziation, doch im Schlusschoral zeigt sich deutlich der Begräbnis-Anlass des Werkes.
Fronleichnam "angetäuscht"
Aus katholischer Sicht ist das Concerto "Pange lingua" von Dieterich Buxtehude schon fast eine Mogelpackung. Denn mit den lateinischen Worten beginnt auch der Hymnus zu Fronleichnam. Und das gilt als DAS katholische Fest schlechthin, weil dort besonders die Eucharistie, die gewandelte Hostie verehrt wird. Das Hochfest wird nächste Woche gefeiert. Dazu gehört der besagte Hymnus Pange lingua. Ein Hymnus ist ein feierlicher Preis- und Lobgesang in der Liturgie. Die Textzusammenstellung Pange Lingua geht auf Thomas von Aquin im Jahr 1263 zurück.
Das Pange lingua wird heutzutage vor allem zur Feier des Fronleichnamsfestes und am Gründonnerstag gesungen. Die Schluss-Strophen Tantum ergo und Genitori werden auch sonst beim sakramentalen Segen gebetet, zur Aussetzung des Allerheiligsten.
Latein im Abendmahlsgottesdienst
Dennoch ist der Hymnus Pange lingua keineswegs auf den katholischen Gottesdienst beschränkt. Dieterich Buxtehude war ein genuin evangelischer Komponist an der Schwelle zum 18. Jahrhundert. Auch er vertonte den Hymnus in lateinischer Sprache – allerdings natürlich nicht für das Fronleichnamsfest, sondern für den evangelischen Abendmahlsgottesdienst, in dem zu dieser Zeit auch Latein noch zum Einsatz kam. Während der Austeilung des Brotes an die Gemeinde wurde dieser Text gesungen, vertont für mehrstimmigen Chor und Instrumentalisten.
Musik für die Liturgie an Pfingsten
Aber natürlich gibt es auch reichhaltige Musik, die zum Beispiel für Pfingsten geschrieben wurde. Im Mittelalter des 9. Jahrhunderts hat sich zum heutigen Hochfest ein Hymnus entwickelt. Veni Creator Spiritus, so beginnt er. Traditionell wird er Rabanus Maurus zugeschrieben. Auch in diesem Werk wird der Heilige Geist angerufen, der als Schöpfer die Welt erfüllen soll. Tomas Luis de Victoria nimmt als musikalische Basis den einstimmigen Gregorianischen Choral, um im Wechsel mit einem 4 stimmigen Chor den Hymnus zu vertonen.
Motette als Vorlage für Missa
Vom gleichen Komponisten erklingt die Motette "Dum complerentur". Textliche Grundlage sind das Johannes-Evangelium und die Apostelgeschichte. Beide neutestamentliche Bücher erzählen, wie der Heilige Geist auf die Jünger herabkommt, beziehungsweise wie Jesus als der Auferstandene den Jüngern erscheint. Victoria vertonte beide Textausschnitte für fünfstimmigen Chor, gedacht zur Aufführung an Pfingsten. Gedruckt wurde das Werk 1609. Musikalisch bleibt der spanische Komponist ganz in der Musiksprache der Renaissance. Dann folgt von ihm die Missa "Dum complerentur".
Bei der Motette waren ja zwei Textpassagen aus dem Neuen Testament zur Herabkunft des Heiligen Geistes am heutigen Pfingstfest inhaltliche Grundlage. Eine Missa besteht aus den Teilen Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei. Die Texte stehen fest, dürfen nicht verändert werden. Der Beiname "Dum complerentur" bezieht sich daher nicht auf bestimmte Texte, sondern auf das musikalische Material.
Damals war es üblich, das eine bereits verfasste Motette als eine Art musikalischer Steinbruch verwand wurde. Melodien oder ganze musikalische Wendungen wurden in der gleichnamigen Messvertonung erneut verwendet. Victoria erweiterte bei der Missa die Stimmenanzahl von fünf auf sechs und zitiert recht häufig seine Motette.
In der Sendung Musica als Wiederholung aus dem Jahr 2022 erklingt zu Pfingsten ab 20 Uhr sowohl "echte" wie "unechte" Musik zum Hochfest.