DOMRADIO.DE: Erst in der vergangenen Woche sagte Bill Nelson, der Leiter der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA, er sei sehr froh, dass sich der Vatikan mit seinem Observatorium so sehr für den Weltraum engagiere. Warum ist die NASA so angetan von der astronomischen Arbeit des Vatikans?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Autor): Man muss sich immer vor Augen halten, dass der Vatikan seit Jahrhunderten am Himmel präsent ist. Denken wir an das Jahr 582, an die Kalenderreform, die wir den Beobachtungen päpstlicher Astronomen verdanken. Gregor XIII. hat ja praktisch unsere heutigen Kalender nach Himmelsbeobachtungen ausgerichtet. Man ist schon relativ lange im Geschäft, um das etwas salopp zu sagen.
Die Päpste haben eigene Observatorien gehabt und die waren eigentlich immer führend. Sogar nach dem Ende des Kirchenstaates, als man kleinere Observatorien bauen musste, bekam man sogar den Auftrag von internationalen Institutionen an der Entstehung der astronomischen Karte mitzuwirken.
Man war immer auf hohem Niveau und das wurde natürlich später von der NASA gewürdigt, weil viele Missionen der NASA auch der Unterstützung des Vatikans zu verdanken sind.
DOMRADIO.DE: Was ist das für ein Observatorium, von dem der NASA-Chef gesprochen hat?
Nersinger: Wir hatten herausragende Observatorien in Rom und in der Vatikanstadt oder in Castel Gandolfo. Aber in den 1980er, 1990er Jahren sah man, dass der Himmel um Rom und um Castel Gandolfo nicht mehr so rein war, etwa durch die Lichtverschmutzung.
Da hat man während des Pontifikats Johannes Pauls II. beschlossen, ein Observatorium in den USA zu errichten. Das ist sehr fortschrittlich und gilt als eines der besten der Welt.
Wichtig ist hervorzuheben, dass der Vatikan sehr interessiert war und auch die Mondforschung unterstützt hat. Der Papst hat immer wieder Astronauten, die zum Mond flogen, empfangen. Bei der ersten Mondlandung war er in Castel Gandolfo und hat sie die ganze Nacht über am Fernseher und am Fernrohr verfolgt. Auf dem Mond war ja sogar eine Flagge des Vatikans. Die wurde später dem Papst zusammen mit etwas Mondgestein geschenkt.
Und bei der Marsmission der NASA halfen die Meteoritensammlungen des Vatikans sehr stark, denn nach ihnen konnte man bestimmte Kameras oder bestimmte Funktionen des Marsroboters ausrichten.
DOMRADIO.DE: Wie lässt sich das erklären, dass es auf der einen Seite immer wieder Zeiten gab, wo man so rückschrittlich auf Seiten der Kirche war – Galileo Galilei als Beispiel – und auf der anderen Seite man so forschend mit dabei ist, wenn es um das Weltall geht?
Nersinger: Ich denke, Galilei muss man anders betrachten, denn er hat Theorien aufgestellt, die nach damaligen Verhältnissen nicht nachweisbar waren und hat sich auf die auch versteift. Grundsätzlich hat man immer alles diskutieren wollen, aber wenn jemand sich ganz auf etwas versteift hat, war man etwas misstrauisch. Prinzipiell war man aber sehr aufgeschlossen in der Forschung, die Päpste an vorderster Stelle.
Das beweist auch die Geschichte. Wie viele Krater, wie viele Gebiete auf dem Mars oder auf dem Mond sind nach päpstlichen Astronomen benannt. Und natürlich nicht nur Krater, nicht nur Maare oder gewisse Gebiete auf diesen beiden Himmelskörpern...
DOMRADIO.DE: Man kann auf dem Mond theoretisch Grundstücke kaufen und Sterne nach Menschen benennen. Gibt es denn einen Stern, der nach einem Papst benannt ist?
Nersinger: Papst-Sterne oder Planeten haben wir noch nicht, aber es gibt eine ganze Reihe von Asteroiden, die nach kirchlichen Würdenträgern oder kirchlichen Personen benannt sind. Da gibt es den Asteroid "Ugo Boncompagni", der ist benannt nach dem bürgerlichen Namen von Papst Gregor XIII. Es gibt aber auch den Asteroiden 8661, der heißt "Ratzinger".
DOMRADIO.DE: Eine Dependance des Vatikan auf dem Mond wird es aber wahrscheinlich erst einmal nicht geben, oder?
Nersinger: Die wird es erst mal nicht geben. Der Vatikan wird aber auch in der Gefahrenabwehr eingebunden. Es gibt den Asteroiden Bennu, das ist der Asteroid 101955. Der stellt eine gewisse Bedrohung für die Erde da, weil er unter Umständen die Erde streifen könnte. Einer der Hauptbeobachter dieses Asteroiden ist die päpstliche Astronomiebehörde, die Jesuiten, die diesen gefährlichen Himmelskörper in Augenschein genommen haben.
Das Interview führte Bernd Hamer.