Er soll damit einen Meineid begangen haben. Woelki hatte gegen die aus seiner Sicht "ehrverletzende Falschberichterstattung" geklagt und seine Position mit Eidesstattlichen Versicherungen untermauert. In einem Verfahren musste Woelki dann persönlich erscheinen; auf Drängen der "Bild"-Anwälte beeidete er seine Aussagen. Nach Anzeigen und Zeugenaussagen nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf und durchsuchte in diesem Rahmen auch Objekte des Erzbistums.
Unter welchen Bedingungen kann es zu einer Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen kommen? Sollte die Staatsanwaltschaft keinen hinreichenden Tatverdacht erkennen, würde sie nach Paragraf 170 Strafprozessordnung (StPO) das Verfahren einstellen. Mit Blick auf mögliche falsche eidesstattliche Versicherungen könnte sie bei geringfügiger Schuld das Verfahren mit gerichtlicher Zustimmung einstellen.
Oder aber die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren gegen eine Auflage ein, etwa eine Geldauflage, wenn die Schwere der Schuld dem nicht entgegensteht. Zudem müssten Gericht und Beschuldigter dem zustimmen. Von der Verfolgung einer falschen eidesstattlichen Versicherung könnte die Staatsanwaltschaft auch dann absehen, wenn die zu erwartende Strafe gegenüber der Strafe für Meineid nicht ins Gewicht fallen würde. Da Meineid als Verbrechen gilt, ist hier eine Einstellung wegen Geringfügigkeit nicht möglich.
Welche Strafe droht bei falscher Versicherung an Eides statt?
Eine falsche Versicherung an Eides statt gilt als Vergehen. Dieses kann laut Paragraf 156 Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden. Bei einem Ersttäter ist eine Geldstrafe wahrscheinlich (30 bis 90 Tagessätze). Welche Strafe droht bei Meineid?
Bei Meineid reicht der Strafrahmen von einem bis zu fünfzehn Jahren, in minderschweren Fällen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren können zur Bewährung ausgesetzt werden. Bei einem Ersttäter liegt diese Lösung nahe. Eine weitere Verurteilung wegen falscher Versicherung an Eides statt würde die Freiheitsstrafe für Meineid kaum erhöhen.
Was passiert, wenn Staatsanwaltschaft Anklage erhebt?
Für eine Anklage wegen falscher Versicherung an Eides statt wäre eher das Amtsgericht zuständig, für eine Anklage wegen Meineids das Landgericht. Wenn eines der Gerichte der Meinung ist, dass an der Anklage etwas dran ist, kommt es zur Hauptverhandlung. Andernfalls wird die Eröffnung eines Hauptverfahrens abgelehnt. Dagegen könnte die Staatsanwaltschaft innerhalb einer Woche Beschwerde beim Land- oder Oberlandesgericht einlegen.
Gibt es eine Alternative zu einem Hauptverfahren?
Ja. Bei einer falschen eidesstattlichen Versicherung kann die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl in Form einer Geldstrafe beantragen. Bei kleinen Vergehen dieser Art und fehlenden Vorstrafen ist das sogar die Regel. Mit Blick auf den Meineid ist dieses Vorgehen schwieriger, da bei diesem Verbrechen eine Mindeststrafe von einem Jahr vorgesehen ist und nicht ohne weiteres auf eine Geldstrafe ausgewichen werden kann. Allerdings kann in einem Strafbefehl auch eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr angeordnet werden, wenn sie - was bei einem Ersttäter zu erwarten ist - zur Bewährung ausgesetzt wird und der Angeschuldigte einen Verteidiger hat.
Ab wann gilt man als vorbestraft?
Wenn eine Verurteilung in das Führungszeugnis aufgenommen wird. Das ist erst bei Geldstrafen ab 91 Tagessätzen und Freiheitsstrafen von über drei Monaten der Fall. Was passiert kirchenrechtlich, wenn es zu einer Anklage oder einem Prozess gegen Woelki kommt?
Eine Anklage hätte keine direkten kirchenrechtlichen Folgen für den angeklagten Bischof. Die beiden Sphären des weltlichen und des kirchlichen Rechts sind getrennt. Bis zu einem Urteil gilt die Unschuldsvermutung. Es wäre aber eine Frage des klugen Ermessens, ob der Erzbischof seine Amtsgeschäfte für die Dauer des Verfahrens ruhen lässt. Die damit verbundene Belastung könnte einen solchen Schritt rechtfertigen.
Welche Folgen hätte eine Verurteilung?
Auch das hätte wegen der Autonomie von Staat und Kirche noch keine unmittelbare kirchenrechtliche Konsequenz. Zwar ist Meineid auch kirchenrechtlich strafbar. Dies gilt aber nur unter der Bedingung, dass er vor einer kirchlichen Autorität geleistet wurde, was hier nicht der Fall wäre. Wie sich Papst Franziskus bei einer staatlichen Verurteilung verhalten würde, ist nicht abschätzbar.
Im Falle von Meineid wäre das Strafmaß zu beachten: Eine (eher unwahrscheinliche) Haftstrafe würde zur zeitweisen Behinderung des bischöflichen Stuhls führen und eine Übergangsleitung der Erzdiözese erfordern. Auch bei einer Geldstrafe oder einem Strafbefehl müsste der Heilige Stuhl - auch unter Rücksicht auf die Höhe - entscheiden, ob es opportun ist, Kardinal Woelki einen Rücktritt nahezulegen. Nach einem Schreiben von Franziskus im Jahr 2016 (Motu Proprio "Come una madre amorevole") ist auch eine Amtsenthebung aus "schwerwiegenden Gründen" durch den Heiligen Stuhl möglich.
Wie war es beim Bauskandal um Bischof Tebartz-van Elst?
Tebartz-van Elst hatte im Oktober 2013 von sich aus seinen Amtsverzicht angeboten, nachdem die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl wegen falscher eidesstattlicher Aussagen im Zusammenhang mit einem Erste-Klasse-Flug nach Indien beantragt hatte. Gegen Zahlung einer Geldauflage von 20.000 Euro wurde das Verfahren im Dezember 2013 eingestellt. Den Rücktritt nahm der Papst drei Monate später an. Nach dem Schreiben von 2016 muss der Heilige Stuhl nun nicht mehr auf ein Rücktrittsgesuch warten, auch wenn darin ein mehr oder weniger freiwilliger Amtsverzicht zur Gesichtswahrung eines beschuldigten Bischofs vorgesehen ist.