Wie Katholiken in Myanmar zwischen die Fronten geraten

"Wie können sie das ihrem eigenen Volk antun?"

Seit einem Putsch im Jahr 2021 herrscht in Myanmar das Militär. Die Kirche versucht, die humanitäre Not der Menschen zu lindern. Doch wer hilft, gerät schnell in Verdacht, den Widerstand zu unterstützen und riskiert eine Verhaftung.

Autor/in:
Ina Rottscheidt
Myanmar, Rangun: Menschen beten in einem Gottesdienst (Archiv) / © Paul Haring (KNA)
Myanmar, Rangun: Menschen beten in einem Gottesdienst (Archiv) / © Paul Haring ( KNA )

Marias Familie wurde schon vier Mal vertrieben, immer wieder wurde sie bombardiert und musste weiterziehen. Ihr Haus, in dem sie früher wohnte, gibt es nicht mehr: Es wurde zerstört, wie so viele Häuser und Kirchen in ihrem Heimatort. Wenn sie davon erzählt, stockt ihr die Stimme, sie versucht, ihre Tränen zu unterdrücken und braucht einen Moment, bis sie sich wieder gefasst hat.

Alltagsszene in Myanmar / © Luong Led (shutterstock)

Maria heißt eigentlich anders, aber sie traut sich noch nicht einmal, ihren richtigen Vornamen öffentlich zu machen, so groß ist ihre Angst vor staatlichen Repressionen: "Wenn wir von einem Landesteil in den anderen reisen, kontrollieren sie unsere Handys. Sie lesen meine privaten Nachrichten und wenn sie herausfinden, dass ich Kontakt mit Oppositionellen habe oder jemandem auf Facebook folge, kann ich verhaftet werden. Es gibt keine Gesetze, nur Willkür. Die Zivilisten sind den Militärs vollkommen ausgeliefert." Maria arbeitet für die Jesuiten, als Laiin – noch soviel will sie von sich öffentlich preisgeben. 

Putsch beendet demokratische Phase

Seit dem Militärputsch im Februar 2021 gegen die Regierung um Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi versinkt Myanmar in Chaos und Gewalt. Der Staatsstreich beendete eine kurze Phase der Demokratie, in der vor allem die junge Generation eine Ahnung davon bekam, wie sich Freiheit anfühlt, erzählt Maria: "Wir gingen alle auf die Straße, um friedlich zu protestieren." Doch die Militärs knüppelten die Proteste blutig nieder, immer mehr Menschen schlossen sich dem bewaffneten Widerstand an. 

Der Staat reagiert mit brutaler Härte: Menschenrechtsorganisationen berichten von Massentötungen, willkürlichen Verhaftungen und Folter. Immer wieder befehle die Militärjunta Luftangriffe auf Dörfer, in denen sie ethnische Minderheiten und Oppositionelle vermutet, heißt es ist im "World Report" von Human Rights Watch

Kirche hilft – und steht selbst im Fokus

Rund zwei Millionen Menschen mussten seit Beginn des Bürgerkriegs ihre Häuser verlassen und sind Vertriebene im eigenen Land. Und nicht nur das: Das Gesundheits- und Bildungssystem sei zusammengebrochen, erzählt Maria, die Wirtschaft am Boden. Straßen würden blockiert, ganze Dörfer von der Versorgung abgeschnitten. Internet und Telefon würden kontrolliert, es sei schwierig, an gesicherte Informationen zu kommen. "Und unsere Kinder haben seit drei Jahren keine Schule besucht", sagt sie. Darum habe man sich vielerorts auf Gemeindeebene zusammengeschlossen und versuche, das aufzufangen.

 © Nadim Amman (Diözesanstelle Weltkirche – Weltmission im Erzbistum Köln)

Unterstützt werden sie dabei von den Kirchen und kirchlichen Organisationen, doch eine öffentliche Verurteilung der Gewalt traut sich auch dort kaum jemand. Da war es schon gewagt, als der Erzbischof von Yangon an Palmsonntag dazu aufrief, "die langen Nächte des Konflikts und der Angst zu beenden". Hunderte Kirchen und buddhistische Kloster wurden in den vergangenen Jahren in Myanmar zerstört. Im Januar 2024 bombardierte das Militär eine Kirche in dem Dorf Kanan im Westen des Landes, dabei wurden 17 Gottesdienstbesucher getötet. In der Diözese Loikaw wurde Bischof Celso Ba Shwe aus seiner Kathedrale vertrieben, auf dem Gelände hatten Geflüchtete gelebt. Die Armee attackierte und besetzte die Kirche und machte sie zu ihrem Basislager.

Unterstützung aus Köln

Seit Beginn des Konflikts engagiert sich die Kirche in Myanmar in der humanitären Arbeit, auch unter prekären Bedingungen. "Wir tun, was wir können", sagt Maria, die sich bei den Jesuiten für Geflüchtete und Kinder einsetzt. Allerdings sei die Lage für Priester, Ordensleute, Katecheten, Pastoral- und Caritasmitarbeiter sehr schwierig, weil man vom Militär beschuldigt werden könne, den Widerstand zu unterstützen und so Gefahr laufe, verhaftet und ins Gefängnis gebracht zu werden. 

Gottesdienst in Myanmar / © Nadim Amman (Diözesanstelle Weltkirche – Weltmission im Erzbistum Köln)

Unterstützt werden sie in ihrer Arbeit auch vom Erzbistum Köln. "Mit dem Flüchtlingsdienst der Jesuiten haben wir schon seit vielen Jahren eine gute Zusammenarbeit", sagt Nadim Ammann, Lei­ter der Ab­tei­lung Welt­kirche-Welt­mission, der das Land im Herbst 2022 das letzte Mal besucht hat. "In den Anfängen ging es um 300.000 Binnenflüchtlinge. Jetzt sind es Millionen Menschen. Es geht einfach darum, sie mit dem Nötigsten zu versorgen, mit Lebensmitteln und Medizin." Aber auch die Schulbildung sei wichtig: Selbst im Dschungel oder im Zelt sei das noch irgendwie möglich, weil die Lehrer auch geflohen seien. 

Papst betet für Frieden

Seit 1997 fördert das Erzbistum Köln in Myanmar Projekte, die Unterstützung ergab sich aus der langjährigen Partnerschaft mit dem Bistum Tokio: Dort engagierte man sich schon lange für Myanmar und hatte die Kölner gefragt, ob sie sich beteiligen wollen. Für die Katholiken in Myanmar, die nur rund ein Prozent der Bevölkerung ausmachen, ist das ein wichtiges Zeichen: "Es zeigt uns, dass wir Teil der universellen Weltkirche sind und es gibt uns das Gefühl, dass wir nicht vergessen sind, auch wenn sich die internationale Staatengemeinschaft nicht viel um uns kümmert", sagt Maria. Auch der Papst hat immer zum Frieden und zu Gebeten für die Menschen in Myanmar aufgerufen. "Dafür sind wir sehr dankbar Gebete und es bedeutet uns viel!"

Schule in Myanmar / © Nadim Amman (Diözesanstelle Weltkirche – Weltmission im Erzbistum Köln)

Einen Ausweg aus der Krise weiß die 44-Jährige auch nicht. Das Militär sollte sich auf Gespräche einlassen, nur so könne der Kreislauf von Gegengewalt unterbrochen werden, findet sie. Wahrscheinlich ist das aber nicht, zu oft hätten die Militärs in der Vergangenheit ihre Versprechen und die Waffenstillstandsabkommen gebrochen. Maria spricht von Staatsterror und von gezieltem Beschuss der Zivilbevölkerung. "Sie bombardieren Schulen, Krankenhäuser oder unbeteiligte Dörfer. Wie können sie das ihrem eigenen Volk antun?", fragt sie.

Religiöses Leben in Myanmar

Myanmar ist vom Buddhismus geprägt. Ihm hat das lange von der Außenwelt isolierte Land seine größten kulturellen Reichtümer zu verdanken. Geschätzt rund 90 Prozent der Bevölkerung Myanmars sind gläubige Buddhisten. Geht es um Positionen in Verwaltung und Militär, werden buddhistische Bewerber bevorzugt. Im einfachen Volk tief verwurzelt sind zudem Geisterglaube und Sterndeuterei. Dem Christentum gehören nur rund 5 Prozent der Bürger an. Muslime sind zu etwa 4 Prozent vertreten, die meisten von ihnen zählen zur verfolgten ethnischen Minderheit der Rohingya.

Katholische Kirche in Myanmar unter Druck / © Paul Haring (KNA)
Katholische Kirche in Myanmar unter Druck / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
DR