Initiative lobt Zustimmung für das EU-Lieferkettengesetz

"Zum Schutz der Menschenrechte"

Der EU-Rat hat für ein europäisches Lieferkettengesetz gestimmt. Deutschland hatte sich auf Betreiben der FDP enthalten. Doch auch dieser aufgeweichte Kompromiss sei ein Hoffnungssignal, betont die "Initiative Lieferkettengesetz".

Symbolbild Containerschiff / © Aun Photographer (shutterstock)
Symbolbild Containerschiff / © Aun Photographer ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was genau ist die "Initiative Lieferkettengesetz"? Wer macht dabei mit? 

Johanna Kusch (Koordinatorin der "Initiative Lieferkettengesetz", ein Bündnis zu dem auch christliche Hilfsorganisationen wie Misereor, Adveniat und Kolping gehören): Die "Initiative Lieferkettengesetz" ist ein großes Bündnis von über 140 Organisationen, darunter kirchliche Organisationen wie Misereor oder Kolping, aber auch Gewerkschaften sowie Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen. Sie alle haben gesagt, dass wir jetzt ein Gesetz zum Schutz der Menschenrecht brauchen. 

DOMRADIO.DE: Eine ganze Zeit lang sah es danach aus, als würde eine europäische Lösung an der deutschen Enthaltung scheitern. Jetzt hat aber das Lieferkettengesetz mit dem grünen Licht des EU-Rats doch eine weitere Hürde genommen. Wie bewerten Sie das? 

Johanna Kusch

"Das EU-Lieferkettengesetzsetz ist im Grunde eins der größten Menschenrechts- und Umweltvorhaben der EU, weil es ganz klar bei Unternehmen ansetzt".

Kusch: Das EU-Lieferkettengesetz ist im Grunde eines der größten Menschenrechts- und Umweltvorhaben der EU, weil es ganz klar bei Unternehmen ansetzt und deren Verhalten im gesamten Wirtschaften anschaut sowie diese zu mehr Achtung der Menschenrechte und Klimaschutz anhält. Das ist zum Beispiel bei der Müllentsorgung wichtig.

Aber es ist auch wichtig zu schauen, wie produziert wird, wie die Arbeitsbedingungen sind und wie wir von hier aus dort für Sorgfalt sorgen können, damit beispielsweise die Arbeitsbedingungen besser werden.

DOMRADIO.DE: Sie beklagen allerdings eine drastische Verwässerung dessen, auf das sich Rat, Parlament und Kommission ursprünglich geeinigt hatten. Was ist denn verwässert? 

Kusch: Der größte und deutlich zu erkennende Punkt ist, dass fast zwei Drittel weniger Unternehmen erfasst sind. In dieser ursprünglichen Version, auf die sich im Dezember schon mal geeinigt worden ist, sollten 15.000 oder 16.000 Unternehmen erfasst sein. 

Nach der Einigung, der auch der Rat zugestimmt hat, sind es nur noch knapp 5.000 Unternehmen. Das sind alles ungefähre Angaben. Eine große Anzahl wurde erst mal aus dieser Pflicht herausgenommen. Dann wurden Anreizsysteme gestrichen, bei denen man beispielsweise in Unternehmen für besonders viel Klimaschutz einen finanziellen Anreiz setzen kann.

Ich habe gerade den Abfallbereich angesprochen, aber genau der ist auch rausgenommen worden. Wenn das Produkt fertig, aber verpackt ist, bleibt diese Plastikverpackung beispielsweise übrig. Da wurden auch sehr viele Anforderungen wieder rausgestrichen. 

DOMRADIO.DE: Bei wem liegt der Schwarze Peter, was diese Verwässerung angeht? Ist es Bundesjustizminister Buschmann von der FDP, der mit seinem Rückzieher alles ins Wanken gebracht hat, was schon unter Dach und Fach war? Oder Olaf Scholz, der kein Machtwort gesprochen hat? 

Kusch: Ich denke, das ist genau die Reihenfolge. Wir hatten diesen Kompromiss zwischen den drei gesetzgebenden Institutionen in der EU im Dezember erzielt. Der war schon über zwei Jahre lang hart ausgehandelt worden. Deutschland und insbesondere auch FDP-Minister Buschmann saßen mit am Verhandlungstisch. Der hatte im Grunde die ganze Zeit Kontrolle über diesen Kompromiss und es wurde sich geeinigt. 

Johanna Kusch

"Das ist ein ganz klarer Affront, gegen die ganzen Menschen, die an diesem Kompromiss mitgearbeitet haben, aber auch gegen das Vertrauen an diesen Kompromiss."

Kurz danach hat das FDP-Präsidium mitgeteilt, dass sie nicht mehr mitmachen können. Das ist ein ganz klarer Affront gegen die ganzen Menschen, die an diesem Kompromiss mitgearbeitet haben, aber auch gegen das Vertrauen an diesen Kompromiss. 

Wenn man sich sozusagen die Hand drauf gegeben hat, sollte man das auch einhalten, damit so ein Prozess auf EU-Ebene funktioniert. Die FDP hat das sehr stark für interne Wahlkampfmethoden genutzt, um sich von der Koalition abzugrenzen. Sie hat auch das Vorhaben für Menschenrechte in der Form nicht als wichtig genug erachtet.

Wenn sich eine Koalition in Deutschland in EU-Fragen nicht einig ist, wird sie sich enthalten. Das hat die FDP ganz klar genutzt. 

Der Kanzler hätte mehr machen können. Er hat es sehr stark laufen lassen und sich nicht wirklich eindeutig zu dem Gesetz bekannt und auch kein Machtwort gesprochen, um die FDP einzufangen. Das kritisieren wir auch. 

DOMRADIO.DE: Was sind die nächsten Schritte nach der Zustimmung des EU-Rates zu dem Gesetz? Was ist Ihr Appell? 

Kusch: Zum Glück hat der EU-Rat die Mehrheit auch ohne eine Zustimmung Deutschlands als größtem, bevölkerungsreichstem Staat in der EU erreicht. Das ist gelungen.

An diesem Dienstag trifft sich der federführende Ausschuss, der Rechtsausschuss im Europäischen Parlament und wird darüber beraten. Der nächste Schritt ist, dass das Gesamtparlament voraussichtlich am 24. April darüber entscheidet. 

Johanna Kusch

"Sie sollen diesem abgeschwächten Kompromiss, der trotzdem zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt einen guten Dienst leisten wird, zustimmen."

Mein ganz großer Appell wäre, dass sich jetzt nicht noch kurz vor Ende alle deutschen Europaparlamentarier querstellen. Sie sollen diesem abgeschwächten Kompromiss, der trotzdem zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt einen guten Dienst leisten wird, zustimmen.

Gerade Kritiker oder Akteure aus der Europäischen Volkspartei (EVP), die dem vielleicht noch kritisch gegenüberstehen, sollten sich darauf besinnen, wofür dieses Gesetz eigentlich steht. 

Das Interview führte Tobias Fricke. 

EU-Lieferkettengesetz

Das Europäische Lieferkettengesetz soll Unternehmen dazu verpflichten, ihre Lieferketten auf mögliche Verstöße gegen die Menschenrechte sowie auf Schädigungen der Umwelt zu überprüfen und dagegen vorzugehen. Auch müssen Konzerne einen Plan verabschieden, um sicherzustellen, dass ihr Geschäftsmodell mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar ist.

Symbolbild Containerterminal, Lieferketten / © Christian Charisius (dpa)
Symbolbild Containerterminal, Lieferketten / © Christian Charisius ( dpa )
Quelle:
DR